ESSAY-
Essay-
Über „Lust und Schmerz“ hinaus gehen -
© Bernd Helge Fritsch
Licht und Dunkel
Die Erfahrungen des Menschen in der äußeren Welt sind dual. Das heißt, wo es für
ihn Licht gibt, dort gibt es auch Dunkelheit. Es gibt für ihn kein „Angenehmes“
hinter dem nicht auch das „Unangenehme“ lauert. Lust und Schmerz, sie sind wie siamesische
Zwillinge oder wie zwei Seiten einer Münze. Auf der dualen Bewusstseins-
Wie Krishna in der Bhagavad-
2:50 Wer mit seinem Geist in der Einheit ruht, geht über das duale Beurteilen von „gut“ und „schlecht“ hinaus. Er handelt weder gut noch böse. Strebe daher nach dieser Klarheit des Yoga.
Die altindische Philosophie erkennt als Ursache unserer dualen Sichtweise die drei
Gunas (Naturkräfte) Rajas (Verlangen, Rastlosigkeit), Tamas (Trägheit, Genusssucht)
und Sattva (Güte und Weisheit) -
14:5 Die erscheinende Natur (Prakirti) wird von den drei Ur-
14:20 Kannst du dich über die Kräfte der drei Gunas erheben, so wirst du von allen Leiden, von Geburt, Alter und Tod befreit und erlangst ewiges Leben.
Das duale Denken ermöglicht unsere einmalige Individualität
Unser Erdenleben in einem Körper, verbunden mit der vom Universum vorgegebenen Art
wie wir denken und fühlen, dient vorerst dazu, uns mit der erscheinenden Welt auseinander
zu setzen. Die Seele erlangt und entfaltet auf diese Weise ihre einmalige Individualität.
Deshalb ist es auch gut und notwendig, dass junge Menschen durch die klassischen
Ego-
Die Sehnsucht nach der Einheit
Doch in der Regel, so um die Lebensmitte und nach Erfahrung der ersten heftigen Schicksalsschläge, meldet sich beim Menschen, der dafür reif ist, immer lauter eine innere Stimme, die vermeint, dass seine bisherigen weltlichen Ziele nicht alles sein können, wozu er geboren wurde. Diese anfangs leise und im Laufe der Zeit immer deutlicher wahrnehmbare Stimme verlangt brennend nach Erkenntnis des tieferen Sinns unseres Erdenlebens. Sie verlangt nach Befreiung von den Zwängen der dualen Welt, nach innerem Frieden und wunschloser Seligkeit.
In jedem Menschen wirkt – bewusst oder unbewusst -
5:23 Wer der Macht der Dinge nicht ausgeliefert ist und von Begierde und Zorn nicht berührt wird, der ist ein wahrer Yogi und lebt glücklich in dieser Welt.
5:24 Er findet das Glück, die Freude und das Licht in sich und er gelangt damit zur
Seligkeit Gottes (brahma-
Bewusstsein der eigenen Göttlichkeit
Eigentlich sollte es für den Menschen gar nicht schwierig sein, in die Einheit zurück zu finden. Denn wie die Gita erklärt, sind alle Dinge und Wesen, stets in die allumfassende Gottheit (Krishna, Brahman, universelles Bewusstsein) eingebunden.
Doch dem Menschen fehlt das Bewusstsein dafür. Es sind wenige „Weisheitsvolle“, die nach vielen Inkarnationen, durch entsprechendes Streben und Verhalten ein Bewusstsein für die in ihnen wirksame Göttlichkeit erlangen. Ihnen ist es gelungen tief genug in ihr inneres Selbst hinein zu schauen. Und es zeigt sich, dass dieses Selbst identisch mit der allumfassende Gottheit ist.
7:19 Nach vielen Leben geht der Weisheitsvolle ein in mich, erkennend, dass ich in allem, was es gibt, gegenwärtig bin. Doch eine solche Seele, Ardjuna, ist schwer zu finden.
Im paradiesischen Ursprung waren die Menschen noch Eins mit Gott und allen seinen Schöpfungen. Doch im Laufe der Evolution hat sich im Bewusstsein der Menschen eine Trennung vollzogen. Diese Trennung wird im Gleichnis von der „Vertreibung aus dem Paradies“ im 1. Buch Mose geschildert. Bedauerlicher Weise wird von den christlichen Kirchen dieser „Sündenfall“ einseitig als etwas Negatives beschrieben. Alle Nachfahren von Adam und Eva seien von dieser „Erbsünde“ betroffen. Nur durch die Leiden des Jesus Christus und die Gnade Gottes könnten wir von dieser Sünde befreit werden. Viel besser sollte dieses Ereignis, wie Weihnachten, als die Geburtsstunde eines, seiner Bestimmung nach, freien, selbstverantwortlichen, göttlichen Menschen gefeiert werden. Denn der sogenannte „Sündenfall“ symbolisiert den ersten Schritt des Menschen zur selbstbewussten individuellen Gottheit.
So erklärt Gott, nachdem Eva und Adam von der verbotenen Frucht gegessen und dadurch
eine Bewusstseins-
Und Gott sprach: Seht der Mensch ist geworden unsereins, er erkennt Gut und Böse... ( 1. Mose 2,22)
Doch die meisten Theologen und mit ihnen die restliche christliche Menschheit haben die Parabel von der „Vertreibung aus dem Paradies“ nicht verstanden und vergessen oder verdrängt, dass der Mensch zum „Ebenbilde Gottes“ (1. Mose 1,27) geschaffen wurde.
Mit der Übertretung des Gebotes, nicht von den Früchten des Baums der Erkenntnis zu essen, hat sich der Mensch dafür entschieden, eine eigenständige Gottheit, ein Individuum, ein selbstständiges Zentrum von Bewusstheit zu sein. So war dies im göttlichen Evolutionsplan vorgesehen.
Um die Trennung zu vollziehen, begann der Mensch dual zu denken und „Gut und Böse“
zu unterscheiden. Die Welt ist seither für ihn nicht mehr paradiesisch, göttlich
EINS, sondern aufgespalten in „Gut und Schlecht“, „Angenehm und Unangenehm“, „Will
ich“ und „Will ich nicht“ und so fort. Dem Menschen ist damit das Bewusst-
Natürlich sollten wir bei dieser „Schöpfungs-
Das duale Bewusstsein ein Geschenk Gottes
Die Gottheit selbst hat der Menschheit das duale Bewusstsein mit seinen Vor-
10:4 Krishna: Aus mir gehen hervor Verstand und Erkenntnis, Geduld, Wahrheit und Selbstbeherrschung, innerer Frieden, Freude und Schmerz, Geburt und Tod, Furcht und Furchtlosigkeit, Ehre und Schmach;
13:21 Die Seele genießt die Erscheinungsweisen der Natur. Ihre Verstrickung mit diesen Erscheinungen ist die Ursache von gutem und schlechtem Karma.
Das Reich Gottes in uns
Wie die Gottheit alle Dinge und Wesen des Universums durchdringt, bildet sie in jedem
Menschen den Kern seines Wesens. Jesus nennt diesen Kern „das Reich Gottes in uns“
(Lukas 17,21). Er erklärt, „Ich und der Vater sind eins!“ und dies gelte für alle
Menschen (Joh. 10,30-
Der Mystiker Meister Eckehart spricht vom göttlichen „Seelengrund“ des Menschen, welcher gleichgeartet sei wie die allumfassende „Gottheit“.
„Alles, was der göttlichen Natur eigen ist, das alles ist auch dem gerechten und göttlichen Menschen eigen; darum wirkt solch ein Mensch auch alles, was Gott wirkt, und er hat zusammen mit Gott Himmel und Erde geschaffen...“ Meister Eckehart
Wie schon öfters erklärt, ist der Mensch ein göttliches Wesen, ausgestattet mit der
Schöpferkraft seiner Gedanken. Mit diesen erschafft er seine Welt und sein Schicksal
(siehe Essay-
Gut und Böse transzendieren
Die Gottheit ruht und wirkt jenseits der dualen Gegensätze. Ebenso kann jeder Mensch als „Ebenbild Gottes“ über die dualen Gegensätze hinaus gehen und seine Gottheit verwirklichen. Doch die meisten Menschen sind noch mit einem „kleinen Mangel“ behaftet, der darin besteht, dass sie von ihrer Göttlichkeit nichts wissen wollen und daher auch gar nicht auf die Idee kommen, sie in ihrem Leben zum Ausdruck zu bringen.
Im nächsten Essay-
Mit herzlichem Gruß
Bernd